Mit der Einführung leistungsstarker und preisgünstiger SoCs (System-on-Chip) mit integriertem WLAN und Bluetooth begann vor ca. 10 Jahren das Internet of Things (IoT) in greifbare Nähe zu rücken. Über die Jahre ist die Menge und vor allem die Qualität der verfügbaren Entwicklungsframeworks spürbar angestiegen, sodass sich mit den heute verfügbaren IoT-Geräteplattformen anspruchsvolle Anwendungen im Industriesektor realisieren lassen.
Gleichzeitig gibt es eine große Auswahl von Entwicklungsboards für alle erdenklichen Anwendungsfälle, beginnend bei der Überwachung von Umweltbedingungen über die Erfassung medizinischer Parameter, der Bereitstellung intuitiver HMIs (Human Machine Interfaces) bis zur Audioverarbeitung/Spracherkennung und Bildanalyse. Dieses Angebot wird abgerundet durch eine Reihe miniaturisierter und einfach ansteuerbarer Sensoren, die zum Teil ein Nebenprodukt der Smartphone-Entwicklung sind. Damit ergibt sich für Unternehmen, die bisher die Marktzutrittsbarriere einer eigenen Hardwareentwicklung nicht überwinden konnten, die Möglichkeit, innovative Produkte aus einer Kombination von Hard- und Software anzubieten.
Auf dem Weg zum integrierten Anbieter von Hard- und Software sind natürlich einige Hürden zu nehmen. Während Anforderungen an die Software quasi ein Heimspiel für uns sind, gilt es bei der Auswahl der Hardware eine Reihe technischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen zu beachten.
Technische & gesetzliche Rahmenbedingungen
Ein wesentlicher Punkt sind die Umweltbedingungen am geplanten Einsatzort des IoT-Gerätes. Diese bestimmen den Aufwand, der für den Schutz und die Erhöhung der Zuverlässigkeit der Geräte zu betreiben ist.
Vor allem bei längerfristiger Installation der Geräte ist die Wartungs- und Reparaturfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Die Fehleranalyse und der Austausch defekter Komponenten können optimiert werden, um Zeit und Kosten zu sparen.
Im Bereich der Energieversorgung gibt es eine breite Auswahl für die verschiedenen Einsatzszenarien. Meist verursacht die Datenkommunikation einen Großteil des Energieverbrauchs, während moderne Sensoren mit sehr geringen Strömen auskommen. In Abhängigkeit von Datenmenge und Kommunikationszyklen sowie Netzverfügbarkeit und Gerätestandort sind an dieser Stelle kreative Lösungen gefragt.
Zum IoT-Gerät wird ein Rechner mit Sensoren erst durch die Netzwerkanbindung. Diese sorgt dafür, dass die erfassten Daten mit nur geringer zeitlicher Verzögerung das Backend der Gesamtanwendung erreichen. Auch hier gibt es unterschiedliche Technologien mit spezifischen Vor- und Nachteilen.
Eine existierende Netzwerkanbindung ermöglicht die Implementierung von Remote-Softwareupdates. Damit können sowohl Bugfixes als auch neue Funktionen schnell und kostengünstig auf den IoT-Geräten zur Verfügung gestellt werden.
Nicht zuletzt sind noch die Sicherheit sowie der Bereich der rechtlichen Rahmenbedingungen rund um Produkthaftung und Zertifizierung zu betrachten.
Umweltbedingungen
Anders als im geschützten Laborbereich herrschen in Industrieumgebungen eher raue Umweltbedingungen. Temperaturen folgen dem Verlauf der Jahreszeiten. Hohe Luftfeuchtigkeit sorgt für Kriechströme, greift Materialien an und dämpft die Reichweite von Funksignalen. Maschinen verursachen dauerhafte Vibrationen. Die Geräte müssen die eine oder andere (versehentliche) mechanische Einwirkung "ertragen" wie Schlag, Stoß und besonders gern Zug an den Kabeln. Diese Herausforderungen lassen sich durch die Verwendung von Gehäusen mit entsprechender Schutzart (IPxx) und Stoßfestigkeit (IKxx) sowie stabilen Kabelbefestigungen und Zugentlastungen lösen.
Wartungs- und Reparaturfähigkeit
Schon in der Entwurfsphase sollte man sich Gedanken um die Wartungs- und Reparaturfähigkeit der Geräte machen. Nach dem Einbau befinden sich die Geräte teilweise in schwer erreichbaren Bereichen. Gerätekomponenten und Verkabelungen sind durch die Art der Befestigung nicht mehr so leicht austauschbar. Eine modulare Bauweise (Kabel, Teilkomponenten steckbar) kann den Reparaturaufwand erheblich senken. Voraussetzung ist die Verfügbarkeit einer möglichst umfassenden Fehlerdiagnose am Einbauort. Als recht hilfreich hat sich die Verwendung eines integrierten Displays herausgestellt. Damit kann die Einrichtung der Geräte an der Einbauposition erfolgen und es können später viele Probleme vor Ort von Technikern ohne zusätzliches Equipment und umfangreiche Schulung eingegrenzt und behoben werden. Relevante Parameter sind die Signalstärke von Netzwerkverbindungen, der Verbindungszustand zum Backend sowie Kennzahlen von angeschlossenen Sensoren. Zusätzlich haben wir bei unseren IoT-Lösungen eine per WLAN erreichbare Wartungskonsole integriert, über die sich alle Konfigurationsparameter verändern lassen und die Informationen über den aktuellen Zustand der laufenden Softwarekomponenten bereitstellt (bspw. Logmeldungen, Datenraten, Prozessorauslastung).
Energieversorgung
Eine stabile Stromversorgung ist die Basis für zuverlässige IoT-Geräte. Sofern Netzspannung mit vertretbarem Aufwand in die Nähe des Sensors verlegt werden kann, hat sich die Nutzung eines Netzteils bewährt. Mobile Sensoren können über Batterien oder Akkus (bei sehr niedrigem Stromverbrauch), Solarzellen (nur im Außenbereich) oder mit Kleingeneratoren betrieben werden. Zu beachten ist, dass bei Geräten mit Mobil- oder WLAN-Kommunikation kurzzeitige Stromspitzen auftreten, die ein Vielfaches der normalen Stromaufnahme betragen können. Wenn die Stromversorgung diese Leistung nicht erbringen kann, führt die integrierte Brownout Detection zur kontrollierten Abschaltung des Prozessors (und je nach Konfiguration zum Neustart, wenn wieder genügend Spannung anliegt), um unerwünschtes Fehlverhalten zu verhindern. Unerwartete Neustarts weisen eben nicht immer auf Softwarefehler hin, sondern manchmal tut es auch ein ordentliches Netzteil.
Netzwerkanbindung
Die Netzwerkanbindung der IoT-Geräte kann über unterschiedliche Technologien erfolgen. Die unabhängigste Lösung ist die Nutzung einer eingebauten Mobilfunkverbindung, wenn die Netzabdeckung das zulässt (Achtung bei Metalldächern und -wandverkleidungen sowie größeren Metalleinbauten). Sie ist bei großen Daten- oder Sensormengen auf Dauer allerdings recht kostenintensiv.
Für größere Datenraten und Entfernungen innerhalb von Gebäuden bietet sich die Nutzung von WLAN an. Hierfür dürfen sich zwischen Geräteantenne und AccessPoint keine die Funkverbindung störenden Metallteile befinden. Bei PCB-Antennen (auf der Leiterplatte des Gerätes integriert) sollte die Entfernung unter 30m bleiben. Bei einer größeren Anzahl von Geräten ergeben sich Engpässe im WLAN-Netz, in diesem Fall kann auf Bluetooth ausgewichen werden. Bluetooth bietet eine geringere Reichweite und Datenrate und damit weniger Interferenzen mit anderen Geräten. Fehlende Netzabdeckung kann durch Installation zusätzlicher Gateways kompensiert werden. Vorteilhaft ist bei Bluetooth vor allem die geringe Energieaufnahme, wodurch sich alternative Möglichkeiten der Stromversorgung ergeben.
Nicht zuletzt ist eine kabelgebundene Verbindung via Ethernet eine interessante Option, vor allem, wenn Datenrate und Stabilität der Verbindung im Vordergrund stehen. Nachteilig ist der hohe Installationsaufwand.
Bei allen Varianten außer der Mobilfunkanbindung ist üblicherweise eine Einbindung der IoT-Geräte in das Firmennetzwerk erforderlich. Aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen für die produktionsrelevante IT-Infrastruktur ist der Zugang z. B. zu einem Cloud-Anbieter über das Internet nicht ohne Weiteres möglich. Neben einer notwendigen Freischaltung der Geräte für ausgewählte Zieladressen erfolgt der Zugang zum Internet häufig über einen Proxy, bei dem nur die Kommunikation über HTTP/HTTPS-Ports erlaubt ist. Das im IoT-Bereich gern verwendete MQTT-Protokoll kann sowohl unverschlüsselt als auch mit TLS-Verschlüsselung nicht direkt über diese Ports kommunizieren. Als Ausweg kann die verschlüsselte MQTT-Verbindung über WebSockets getunnelt werden.
Softwareupdates
Im praktischen Einsatz ist die Updatefähigkeit der Geräte ein wichtiges Kriterium. Je komplexer die Software eines IoT-Gerätes, desto wahrscheinlicher sind spätere Bugfixes oder Funktionserweiterungen. Updates per USB-Kabel sind jedoch sehr aufwändig, weil alle Geräte physisch erreicht werden müssen. Abhilfe schafft ein Remote-Update-Feature (FOTA = Flash Over The Air), wodurch große Mengen von Geräten relativ einfach über das Internet mit neuen Softwareversionen ausgerüstet werden können. Um sicherzustellen, dass nur autorisierte Firmware installiert wird, ist das Softwarepaket digital zu signieren, damit es vom Gerät akzeptiert wird.
Sicherheit
IoT-Geräte sind normalerweise nicht im hochsicheren Rechenzentrum untergebracht, sondern es besteht die Möglichkeit eines unautorisierten physischen Zugriffs. Das ist einerseits ein Sicherheitsproblem, denn es könnten Kommunikationsschlüssel und Passwörter abgegriffen werden, die wiederum für Angriffe auf die Netzwerkinfrastruktur verwendet werden können. Zum anderen besteht der Wunsch nach Schutz des geistigen Eigentums an der installierten Software.
Die Lösung besteht darin, eine Geräteverschlüsselung zu etablieren, die dafür sorgt, dass Angreifende nur wertlosen Datenmüll erbeutet. Dazu wird nach dem initialen Flashen des Gerätes der Flash-Speicher (Code und Daten) hardwarebasiert verschlüsselt. Der Schlüssel ist gerätespezifisch, nicht auslesbar und auch nicht mehr veränderbar (Speicherung in sogenannten eFuses). Da sich die Verschlüsselung auch nicht mehr abschalten lässt, wird somit das Auslesen von verwertbaren Informationen aus dem Flash-Speicher verhindert.
Rechtliche Anforderungen
Auch wenn man nur zugekaufte Entwicklungsboards in ein Gehäuse einbaut, gilt man als Hersteller bzw. Inverkehrbringer dieser Geräte und ist damit für die Produktsicherheit verantwortlich. Zweck der Regelungen zur Produktsicherheit ist die Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus für die für die Verbrauchenden und gewerblich Nutzenden. Im Fall eigener, aus bereits zertifizierten Komponenten zusammengestellter Hardware sind mindestens das Produktsicherheitsgesetz und die CE-Richtlinien relevant.
Die Nutzung der bestehenden Rechtsvorschriften gibt einerseits eine gute Orientierung bei der Entwicklung neuer Produkte, reduziert Haftungsrisiken und ist eine Vorbedingung zum Inverkehrbringen von Produkten in bestimmte Märkte und für Produkthaftpflichtversicherungen. Auf der anderen Seite verursachen Sicherheitsanforderungen Zusatzaufwendungen und Einschränkungen bei der Produktgestaltung sowie eine reduzierte Innovationsgeschwindigkeit.
Fazit
Die Verfügbarkeit ausgereifter IoT-Plattformen bildet die Grundlage für eine Reihe neuer Anwendungsszenarien im Industriebereich, die vor einigen Jahren noch nicht wirtschaftlich umsetzbar waren. Nachdem die Steuerungstechnik bereits weitestgehend automatisiert wurde, rückt die Erfassung des Zustands technischer Anlagen als Basis der Wartungsplanung und -prognose in den Vordergrund. Das Personal kann so von routinemäßigen Kontrollgängen und -messungen entlastet werden und sich ganz auf die Instandhaltung konzentrieren.
Für Unternehmen, die im Bereich Softwareentwicklung und Data Science gut aufgestellt sind, bietet sich damit die herausragende Perspektive, problemspezifische Lösungen für die Industrie 4.0 "aus einem Guss" anzubieten, wenn die benötigten IoT-Sensoren gleich mitgeliefert werden. Das kann mit entsprechenden Partnern geschehen, ist aber ebenso unter Beachtung einiger technischer und rechtlicher Rahmenbedingungen in Eigenregie möglich.
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