Vor Kurzem wurde unser UXD-Team zu einer Bestandsaufnahme und Zukunftsprognose UX-basierter Arbeitsprozesse interviewt. Das Interview fand im Rahmen einer Befragung unseres Mutterkonzerns Data Respons für das firmeneigene Fachmagazin Interrupt Inside statt. Dabei zeichneten sich sechs Entwicklungen ab, die wir nun gerne in einer kompakten Reihe vorstellen möchten.
Doch was sind eigentlich die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche UXD-Arbeit? Im Zentrum jeder Produktentwicklung sollten die Nutzenden stehen und so verfolgt auch unser UXD-Team einen nutzungszentrierten Designprozess. Im Klartext bedeutet das, den Workflow der Anwendenden, den das gewünschte Produkt unterstützen soll, zu verstehen sowie eine Arbeitsweise geprägt von kurzen, iterativen Zyklen mit kontinuierlichem Feedback aller Stakeholder zu etablieren. Ein Prozess, in den zunehmend auch ethische Überlegungen mit einfließen.
Zunehmende Bedeutung von Minimum Viable Products
Den ersten Teil unserer Reihe möchten wir dem Buzzword Minimum Viable Product widmen. Unter einem Minimum Viable Product wird ein minimal brauchbares bzw. existenzfähiges Produkt verstanden. Dieses weist gerade so viele grundlegende Funktionen auf, dass es von den Anwendenden genutzt werden kann.
Am besten wird ein Minimum Viable Product durch einen iterativen Aufbau erreicht. Ziel ist es, den Nutzungskontext ganzheitlich zu verstehen und die Komplexität des Produkts so gut wie möglich zu reduzieren. Gemeinsam mit den Anwendenden unserer Kunden erarbeitet unser UXD-Team einen Workflow, der hilft, deren Nutzungsbedürfnisse zu erfüllen. Neben der Minimierung von Marktrisiken und Projektfinanzierungskosten können so auch finanzielle Misserfolge umgangen werden.
Zu Beginn jedes iterativen Prozesses steht die Frage nach dem Nutzungskontext. Darauf aufbauend werden Nutzungsanforderungen und Beschreibungen des Workflows erarbeitet, die die Grundlage für Use Cases bilden. Diese gilt es zu formulieren und im Anschluss zu priorisieren. Die Definition von Zielen, User und Benutzungsaufgaben hilft zu verstehen, welche Inhalte die gewünschte Anwendung aufweisen muss. Danach wird ein großer User Flow erstellt, der die Anwendung konkretisiert. In dieser Weise entsteht ein deutlich verbessertes gemeinsames Verständnis des Gesamtprozesses sowie von dem zu entwickelnden Produkt. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich ein minimal brauchbares bzw. existenzfähiges Produkt (MVP) gemeinsam mit den Kunden ableiten. Nachdem das Produkt auf den Markt gebracht wurde, wird das Feedback der Nutzenden gesammelt, um es weiter zu entwickeln. Die Integration des Feedbacks erfolgt kontinuierlich.
In der UXD-Welt ist ein Produkt nie wirklich fertig. Es befindet sich immer in der Entwicklung. Diese Denkweise ermöglicht es, das Produkt im Laufe der Zeit anzupassen. Dadurch können unsere Kunden zeitnah auf Marktentwicklungen und Nutzungsbedürfnisse reagieren und ihr Produkt um bspw. neue Funktionen erweitern.
Augmented Reality (AR) im B2B-Bereich
Die nächste Entwicklung, die unser UXD-Team ausgemacht hat, ist der Einsatz von Augmented Reality in der B2B-Welt. Denken heute viele bei AR noch an die Unterhaltungs- und Gamingbranche, wird zukünftig die Integration von AR-Elementen in Produktions- und Serviceprozesse eine immer größere Rolle spielen. Wir bei IT Sonix erhalten bereits vermehrt Anfragen, die in diese Richtung gehen.
Für die Transport- und Logistikbranche, wo wir über einen bedeutenden Kundenstamm verfügen, kann eine solche Integration von erheblicher Relevanz sein. So haben wir ein Flottenmanagementsystem entwickelt, das Lkw-Fahrende bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Die Anwendung liefert Informationen zu Navigation, Fahrzeugdaten sowie Lenk- und Ruhezeiten. Sie ist als Smartphone App und auf einem speziellen Handheld-Gerät im Fahrzeug verfügbar.
Unser UXD-Team hat einen Anwendungsfall erarbeitet, der die Integration von AR-Elementen in dieses Produkt beinhaltet. So könnten Fahrende ein AR-Headset bei der Abholung ihrer Fracht im Lagerhaus tragen. Angereichert mit den richtigen Daten könnte dieses neben der tatsächlichen Umgebung auch anzeigen, welche Ladung in den Lkw passt. Auch wäre vorstellbar, dass das System Vorschläge zur Beladung liefert bspw. nach der Reihenfolge der Zustellung. Es könnte sogar Regeln und Vorschriften einbeziehen und Fahrende bei drohenden Verstößen nicht nur warnen, sondern auch das Anfahren des Lkw verhindern.
Die Möglichkeiten, AR-Elemente in Produktions- und Serviceprozesse zu integrieren, scheinen auf den ersten Blick nahezu unbegrenzt. Die Herausforderung der Zukunft für UX Designer wird neben der dafür notwendigen Innovationskraft vor allem darin bestehen, Anwendungen zu entwickeln, die einen wirtschaftlich nachhaltigen Nutzen aufweisen.
Entwicklung intelligenter digitaler Assistenten
Im dritten Beitrag unserer Reihe möchten wir uns der Entwicklung intelligenter digitaler Assistenten widmen.
Das wohl am häufigsten gebrauchte Tool in diesem Segment sind Chatbots. Diese werden im Kundensupport und an vielen anderen Schnittstellen zwischen Unternehmen und ihren Kunden eingesetzt. UX Designer sehen neue Herausforderungen vor allem darin, diese intelligenter und effizienter zu machen.
Durch die Entwicklung smarter Assistenten für große Callcenter haben wir bereits einschlägige Erfahrung in den Bereichen Spracherkennung und -navigation gesammelt. Die Assistenten erkennen anhand von Antworten sowie deren Formulierung und Intonation, wie sie den Gesprächsleitfaden der telefonischen Kundenberatung anpassen müssen, um den Gesprächsverlauf positiv und zielorientiert zu beeinflussen.
Der Schlüssel zur Entwicklung intelligenter digitaler Assistenten liegt in einer umfassenden Nutzungsforschung. Es gilt die Sprachgewohnheiten der Nutzenden zu analysieren. Nur so kann ausführlich geklärt werden, ob der digitale Assistent über mehrere Sprachregister (Fachbegriffe, Einfache Sprache etc.) verfügen bzw. wann er auf welches Sprachregister zurückgreifen soll. Zusätzlich müssen die häufigsten Anwendungsfälle und relevantesten Fragen für den jeweilig spezifischen Kontext ermittelt werden. Auf diese Weise können unsere UX Designer ihrem digitalen Assistenten eine „Persönlichkeit“ verleihen, die auch seinem Aufgabenbereich entspricht. Um die Algorithmen hinter digitalen Assistenten zu trainieren, besteht bei IT Sonix ein enger Austausch zwischen Mitarbeitenden aus den Bereichen UX-Design und Data Science. Dieses Zusammenwirken wird auch in Zukunft immer wichtiger werden, da die Anzahl der digitalen Assistenten sowie deren Komplexität stetig zunimmt.
Minimierung der Komplexität durch UID-Simplicity
In diesem Beitrag möchten wir unsere Aufmerksamkeit auf eine Entwicklung lenken, die zwei vermeintlich gegenläufige Prozesse der UXD-Welt in sich vereint.
UX Designer haben aktuell an zwei Fronten zu kämpfen. Während die Komplexität der Funktionen stetig zunimmt, hält sich im Design das Bestreben nach Minimalismus beständig. Da Schnittstellen immer mehr Datenquellen integrieren, ist es umso wichtiger, die Benutzungsoberflächen intuitiv und leicht verständlich zu gestalten.
Zeitgemäße und leistungsfähige UX-Produkte müssen Lösungen für ineinandergreifende komplexe Prozessabläufe über alle Module hinweg gewährleisten, um den fortlaufend steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Wir bei IT Sonix haben vor allem im Bereich der Fahrzeuglogistik Erfahrung für einen solchen komplexen Anwendungsfall gesammelt.
Hat ein Lieferfahrzeug eine Panne, müssen sowohl die Fahrenden als auch die Mitarbeitenden im Flottenmanagement rasch handeln. Der Weitertransport muss organisiert werden und das beschädigte Fahrzeug zur Reparatur in die nächste Werkstatt. Das erfordert zusätzliche personelle Ressourcen (Fahrende, Abschleppdienste etc.). Alle an dem Prozess beteiligten Personen benötigen schnelle, korrekte und übersichtliche Informationen, die auf ihre spezifische Rolle zugeschnitten sind, wie bspw. den Standort des Lkw oder den Fortgang der Lieferung.
Für diese Aufgabenmanagement-Lösung hat unser UXD-Team ein Design System entwickelt, das u. a. in ein Dashboard integriert werden konnte, um komplexe Sachverhalte zu visualisieren. Das Dashboard liefert alle wesentlichen Informationen zu kritischen Ereignissen mit Handlungsbedarf auf einen Blick. Fahrende können somit ohne langwierige Rückfragen selbst und schnell auf Veränderungen reagieren. Die Basisversion fällt minimalistisch aus und enthält alle grundlegenden Funktionen. Abhängig vom Grad der Interaktion steigen die Anforderungen der Nutzenden an diese Basisversion sowie der Wunsch nach einem größeren Funktionsumfang. Das Produkt bietet unseren Kunden die Möglichkeit, Erweiterungen per In-App-Kauf zu aktivieren.
Die Herausforderung für die Zukunft wird weiterhin sein, komplexe Zusammenhänge und große Datenmengen in eine minimalistisch gestaltete Benutzungsoberfläche zu übersetzen.
Branded Interaction Design
Im vorletzten Teil unserer Reihe möchten wir das Zusammenspiel von Marken und UX genauer unter die Lupe nehmen.
Da die Zahl digitaler Produkte stetig zunimmt, müssen Marken sicherstellen, dass sie ein konsistentes, einheitliches und identifizierbares Kundenerlebnis bieten. Marken sind „lebendig“ und aktuell mehr denn je einem kontinuierlichen Wandel unterworfen. Doch nicht nur Produkte ändern sich, auch die Berührungspunkte zwischen Unternehmen und ihren Kunden erfolgen vermehrt digital. Die Summe dieser Interaktionen ist für die Wahrnehmung einer Marke entscheidend. Inzwischen sind digitale Touchpoints von elementarer Bedeutung für eine erfolgreiche Markengestaltung- und Kommunikation. Neu entstehende virtuelle Umgebungen (wie bspw. Metaversen) erfordern eine zunehmende Bandbreite markenspezifischer Gestaltung und sorgen somit für einen steigenden Bedarf an Konsistenz über alle Produkte, Dienstleistungen und Touchpoints hinweg. Ziel ist es, die Marke in einer digitalen Welt erlebbar zu machen.
Genau hier können UX Designer ansetzen und einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung und Wahrnehmung einer Marke beisteuern. Unser UXD-Team identifiziert in diesem Zusammenhang zwei Dinge, auf die es sich besonders zu konzentrieren lohnt: Markentonalität und Markenbild. Um beide bestmöglich zu realisieren, setzen unsere UX Designer auf Design Systems. Dabei handelt es sich um Sammlungen von wiederverwendbaren Bausteinen, die sowohl Konsistenz gewährleisten als auch die Komplexität im Design- und Entwicklungsprozess reduzieren. Design Systems existieren schon seit einiger Zeit, doch mit den schnelllebigen Anforderungen an digitale Marken gewinnen sie zunehmend an Bedeutung.
Der Bedarf an Konsistenz bezieht sich jedoch nicht nur auf den visuellen Teil einer Marke. Die Sprache ist ein ebenso wichtiger Faktor. So muss ein einheitlicher Tonfall gefunden werden, der selbst die kleinsten Teile erfasst wie bspw. die Bezeichnungen auf den Schaltflächen einer Anwendung. Hierfür bietet die junge Disziplin des UX Writing einen systematischen Ansatz mit Richtlinien wie bspw. Corporate Language Sheets, die die Markentonalität über verschiedene Anwendungen hinweg gewährleisten. Die Wahl der richtigen Sprache kann maßgeblich dazu beitragen, die Marke erlebbar und glaubwürdig zu gestalten.
Ethisches Bewusstsein und Nachhaltigkeit
Zunehmend ist unser UXD-Team bei seiner Arbeit auch mit ethischen Fragestellungen konfrontiert. Die Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte sowie gesamtgesellschaftlicher Interessen wird im digitalen Produktdesign immer wichtiger. Eine Tendenz, die für ein Spannungsverhältnis zwischen Unternehmen, Kunden und sozialer Verantwortung sorgt. Es lohnt sich also, diese Entwicklung im letzten Teil unserer Reihe genauer zu betrachten.
Wir bei IT Sonix sehen es nicht nur in unserer Verantwortung, nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu finden, sondern zur Erfüllung dieser auch über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinauszugehen. So haben wir bspw. die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen fest in unserer Unternehmensphilosophie verankert. Diese beinhalten u. a. den Fokus auf inklusives Design sowie Geschlechtergerechtigkeit. Zudem achten wir darauf, nicht in ethisch fragwürdige Projekte involviert zu sein.
Fallweise findet sich jedoch auch unser UXD-Team in komplizierten Situationen wieder. So kann es bspw. sein, dass die Datenanalyse Carsharing-Anbietern nahelegt, ihre Fahrzeuge nicht in bestimmten Gegenden abzustellen, weil dort die Vandalismus- und Kriminalitätsrate höher ist. Dies hat zur Folge, dass nicht alle Teile der Bevölkerung im gleichen Ausmaß von dem Carsharing-Angebot profitieren. Daraus ergeben sich ethische Schwierigkeiten und Überlegungen. Anstatt die Sharing Economy aus Effizienz- und Nachhaltigkeitsgründen für alle zu verbreiten, werden somit Vorurteile und Isolation gegenüber sozialen Brennpunkten latent verstärkt. Ein rein nutzungszentrierter UX-Prozess läuft Gefahr, gesamtgesellschaftliche Interessen zu vernachlässigen.
Um Fragen wie diese bestmöglich abzuhandeln, haben einige unserer Mitarbeitenden eine Nachhaltigkeitsgilde gegründet. Diese fördert das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen und forciert stetig die praktische Umsetzung unserer Nachhaltigkeits- und Klimaziele. Für UX Designer wird die Herausforderung der Zukunft sein, ein ethisches Produktdesign im Spannungsfeld unternehmerischer, kundenorientierter und gesamtgesellschaftlicher Interessen zu entwickeln.