Wie bereits angekündigt, geht es auch in unserem zweiten WUD-Rückblick spannend weiter. Von kulturellen Anforderungen an eine KI, fußballspielenden Robotern, einem „tanzenden“ Becher bis hin zu UX Writing, bot der WUD-Nachmittag den Teilnehmenden erneut eine ganze Reihe von interessanten Themen.
Kulturelle Ansprüche an KI als Herausforderung für UX-Design?
Im ersten Vortrag nach der Mittagspause ging Holm Hänsel, Senior UX-Designer bei Jambit, der Frage nach, ob künstliche Intelligenz kulturellen Anforderungen in globalen Design- und Entwicklungsprojekten gerecht werden kann.
Gerade in der Pandemie hat der Einsatz von KI im kollaborativen UX-Design immer mehr an Bedeutung gewonnen. Demnach gilt KI immer mehr als „Sparring Partner“, besonders wenn es um die automatische Zusammenfassung von User Tests geht, so Holm. Somit können UX-Research-Prozesse schneller vorangetrieben und die Qualität der Ideen vollumfänglich gesteigert werden, indem Wissenslücken über Inhalte und Fähigkeiten vollautomatisiert geschlossen werden. Dennoch besteht ein fundamentales Problem darin, dass UX-Teams größtenteils wenig kulturell divers aufgestellt sind. Folglich spiegelt sich das Diversitätsproblem auch in der Datengrundlage von künstlichen Intelligenzen wider. Durchgeführte User Tests sind demnach nicht wirklich aussagekräftig, sodass in der Konsequenz auch die Produkte scheitern, da diese nicht auf die Bedürfnisse der Zielgruppe eingehen, erklärte Holm weiter.
Um dieses Diversitätsproblem zu lösen, sollten UX-Teams folglich ihre Prompts stärker auf soziokulturelle Charakteristika sowie regionale Spezifika der Zielgruppe ausrichten. Vor dem Hintergrund der Irrtumswahrscheinlichkeit der Systeme sind UX-Teams dazu angehalten zu überprüfen, ob die generierten Informationen auch wirklich stimmen. Ebenfalls kann KI dabei unterstützen Software nachhaltiger machen, indem energieintensive Features identifiziert und reduziert werden. Dies wird besonders im globalen Kontext immer wichtiger, wenn durch viele Nutzende ein hohes Maß an Traffic generiert wird. Somit kann UX-Design auch einer ökologischen Verantwortung nachkommen.
Collaboration & Cooperation auf dem Spielfeld
Im nächsten Vortrag begeisterten Lea Kunz und Felix Loos vom HTWK-Robots-Team das Publikum mit ihren kleinen mechanischen Freunden. Die Roboter sehen nicht nur niedlich aus, sondern beweisen auch ihre Begabung als Ballkünstler beim jährlich stattfindenden RoboCup, einem Turnier für Roboterfußball.
Abseits des Spielfeldes ist im Voraus eine ganze Menge Vorbereitungsarbeit notwendig, bis die Roboter-Mannschaft spielbereit ist. An dieser Stelle kommt nun das Team rund um Lea und Felix ins Spiel, wenn es darum geht, sämtliche Bewegungsabläufe der Roboter in einen Code zu gießen. Meistens sind mit den Vorbereitungen auf den RoboCup auch viele Nachtschichten verbunden. Dennoch macht es eine ganze Menge Spaß, erzählte Felix. Kooperation spielt dabei von Anfang an eine entscheidende Rolle. Für das studentische Team der HTWK bedeutet dies einen ständigen Austausch mit anderen Teams auf diversen Robotics-Events sowie ein gemeinsames Arbeiten an spannenden und zukunftsrelevanten Forschungsfragen. Damit decken wir die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, KI und Kooperation exzellent ab, erzählte Lea.
Am Ende zahlt sich die ganze harte Arbeit aus: So hat das HTWK-Team in den letzten 7 Jahren beim RoboCup fast immer Silber und einmal Gold mit nach Hause gebracht. Und vielleicht kann das Team im Jahr 2050 ihr Ziel erreichen, mit ihren Robotern gegen eine echte menschliche Mannschaft zu gewinnen.
BIBO – der tanzende Becher
Innerhalb des letzten Nachmittagsvortrags zeigte Kevin Lefeuvre, forschender Produktdesigner an der Bauhaus-Universität Weimar, eindrucksvoll, welche wichtige Rolle menschenzentrierte Entwicklungsprozesse im Pflegebereich spielen können.
Innerhalb des interdisziplinären Forschungsprojektes ReThiCare (Rethinking Care Robotics) zwischen der Bauhaus-Universität, der TU Chemnitz sowie der Universität Odense wurde ein interaktiver Trinkbecher, unter dem Namen BIBO, für demenzkranke Menschen entwickelt. BIBO erinnert diese an regelmäßiges Trinken. So fängt der Becher zum Beispiel an zu vibrieren, wenn die Person seit sieben Minuten nichts mehr getrunken hat. Ebenfalls leuchtet der Becher blau auf und signalisiert somit dem Pflegepersonal, dass Wasser nachgefüllt werden muss, beschrieb Kevin zur Konzeption eines Prototyps. Das Produktkonzept trägt dabei zur Lösung von zwei konkreten Problemen bei, welche die Forschenden im Rahmen einer Feldbeobachtung in einem Altersheim identifizieren konnten. Einerseits werden demenzkranke Menschen aktiv daran erinnert zu trinken. Andererseits wird das Pflegepersonal durch den Trinkbecher in ihrer Arbeit nachhaltig entlastet, da dieses nicht über längere Zeit bei bestimmten zu Pflegenden verweilen muss und sich so auch zeitgleich um andere zu Pflegende kümmern kann. Um die Effektivität von BIBO zu testen, wurde anschließend ein Experiment in einem Altersheim in Dänemark mit demenzkranken Menschen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, so Kevin, dass die zu Plfegenden mit BIBO mehr getrunken haben als mit herkömmlichen Trinkbechern.
Das Forschungsprojekt regt abschließend dazu an, Design- und Entwicklungsprojekte unter dem Gedanken interdisziplinärer Kollaboration neu zu denken, um den Bedürfnissen bestimmter Zielgruppen gerecht zu werden.
Workshop: UX Writing
Während auf der Hauptbühne zeitgleich die Nachmittagsvorträge stattfanden, widmete sich der zweite Workshop dem heute immer wichtiger werdenden UX Writing. Mit kompakten Praxisbeispielen sowie Tipps aus ihrem Erfahrungsschatz brachten Katharina Urbantat und Birgit Horn von Invision ihren Teilnehmenden die vermeintlich jüngste UX-Disziplin näher.
Wie schon im UX-Design bilden auch hier die Nutzenden das Zentrum und effektives UX Writing führt diese, im besten Fall, problemlos durch die Anwendung. Dabei spielen vor allem folgende Merkmale eine wichtige Rolle: eindeutig, prägnant, nützlich und konsistent. Wer diese vier Dinge berücksichtigt, befindet sich schon einmal auf einem guten Weg, nutzungsfreundliche Microcopy zu erstellen. Gutes UX Writing profitiert darüber hinaus auch von festgelegten Richtlinien in bspw. Voice Charts oder Terminologie-Tabellen. Mit diesen Tipps im Gepäck machten sich die Teilnehmenden auch gleich daran – aufgeteilt in Gruppen – eigene Texte zu verfassen.
Die bunte Mischung von Menschen aus den Bereichen Design, Marketing sowie Technische Dokumentation führte zu angeregten Diskussionen und interessanten Lösungsansätzen. Der Workshop bot insgesamt eine gute Möglichkeit, erste Berührungspunkte mit UX Writing zu sammeln sowie sich selbst einmal darin auszuprobieren.
Zusammenfassung
Der diesjährige WUD verdeutlichte eindrücklich die Wichtigkeit von „Collaboration & Cooperation“ im UX-Design. Zeitgleich wurden neue Chancen und Herausforderungen aufgezeigt, denen sich UX-Design fortan widmen sollte. Zu guter Letzt bleibt nur eins zu sagen: Wir freuen uns auf das nächste Jahr.